Am Dienstag, den 23. Juli 2024, fand der erste von drei geplanten Prozesstagen vor dem Landgericht Freiburg im Berufungsverfahren gegen Robert H. wegen gefährlicher Körperverletzung statt. H. wurde vor knapp 1,5 Jahren schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 120 € á 10 Euro verurteilt. Gegen das Urteil legte Neonazi-Szeneanwältin Nicole Schneiders Berufung ein, weshalb der Prozess nun vor dem Landgericht neu aufgerollt wird. Verhandelt wird wegen des Pfefferspray-Angriffs gegen ein Ehepaar, das zuvor zwei Jugendlichen geholfen hatte, welches wiederum ebenfalls mit Pfefferspray attackiert worden war. Dem Mann stoß der Angeklagte außerdem ein Messer in den Bauch. Verhandelt wird, wie auch bereits vor dem Amtsgericht, aber nicht der Pfeffersprayangriff auf die Jugendlichen und auch nicht der Messerstich. Beide Verfahren wurde im Vorfeld von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Zu Beginn irritierte die vorsitzende Richterin Dr. Müller, indem sie die Pressevertreter*innen nach dem Einlaufen des Gerichts aufforderte, den Saal zu verlassen.
Der Angeklagte äußerte sich diesmal gleich zu Beginn des Verfahrens. Statt Reue oder Fehlereinsicht demonstrierte er abermals den Glaube im Recht gehandelt zu haben. Er sei beschimpft worden und wollte deshalb die Jugendlichen festhalten und Anzeige erstatten. Er filmte die Beiden, lief ihnen hinter her und sprühte dann mit dem Tierabwehr-Spray in die Richtung der Jugendlichen. Als ihnen anschließend von einem Mann geholfen wurde, der sich H. in den Weg stellte, fühlte sich der Angeklagte, als sei an ihm "rumgezerrt" worden. Eine Behauptung, die durch Zeug*innenaussagen widerlegt wurde. Robert H. inszenierte sich als Opfer, der permanenten Beschimpfungen ausgesetzt sieht. Eine Widersprüchlichkeit in seiner Aussage wurde deutlich, als er konstatierte, sein Beweggrund sei gewesen, er hätte Anzeige wegen Beleidigung gegen die beiden Jugendlichen stellen wollen. Später warf er der Staatsanwaltschaft in Freiburg vor, solchen Anzeigen nicht nachzugehen und dass es demnach "eh' nichts bringe" eine Anzeige zu erstatten. Hass auf Linke als Antrieb für Robert H.s kann also nicht ausgeschlossen werden.
In dem Dialog mit dem Sachverständigen, der ein Gutachten über Robert H.s Schuldfähigkeit erstellen wird und bereits Zweifel daran angemeldet hat, erläuterte vorsitzende Richterin Dr. Müller, H. würde selbst in bürgerlichen Medien beim Namen genannt und als Gewalttäter dargestellt. Ihrer Meinung nach rührt das durch die Situation mit Dubravko Mandic, über den sie dann fälschlicherweise behauptet, er sei mittlerweile aus der AfD ausgeschlossen worden. Dubravko Mandic ist jedoch selbstständig aus der zuteilen rechtsextremen Partei ausgetreten und wurde anschließend aber u.a. bei einem völkisch-rechtsextremen Vernetzungstreffen in Schnellroda/Sachsen beobachtet. Von einem Ausschluss aus der Partei kann also nicht die Rede sein. Der politische Hintergrund Robert H. blieb unterdessen unbeleuchtet, auch die Tatsache, dass Robert H. bei der diesjährigen Kommunalwahl in Freiburg angetreten ist. Außerdem blendete das Gericht die angesprochene Situation auf der Kaiserstuhlbrücke aus, als Mandic und H. Menschen auflauerten, die AfD-Wahlplakate bewegten und sie anschließend mit Pfefferspray angriffen. Robert H. hatte auch diese Situation gefilmt und einem dazugekommenden Fahrradfahrer mit einer Blechschere auf den durch einen Helm geschützten Kopf geschlagen. Auch in diesem Verfahren verharmloste das Gericht den Angriff.
Die Ausführungen Robert H.s wirkten wirr und unstrukturiert, nichtdestotrotz wurde deutlich, dass er Menschen erheblich verletzt hat, weil er sie für Linke hielt. Bei der Nachfrage nach der Zeugenaussage eines der Betroffenen wurde das deutlich.
Nach den Ausführungen des Angeklagten, wurden drei Videosequenzen abgespielt, die Robert H. in der Auseinandersetzung mit den Jugendlichen angefertigt hatte. Danach der Polizei-Notruf, den Robert H. anschließend getätigt hatte.
Es folgten die Zeug*innenaussagen der Nebenklage. Diesmal wurde das Ehepaar lediglich durch einen Verteidiger vertreten. Die Rechtsanwältin der Frau sei im Vorfeld zum Landgerichts-Verfahren das Mandat entzogen worden sein.
Der Mann, der ein weißes T-Shirt mit einem Bild der Wunde des Messerstichs auf der Vorderseite und einem Bild seiner Frau mit rot unterlaufenem Auge auf der Rückseite trug, erläuterte die Geschehnisse aus seiner Perspektive. Er empfinde starke Ungerechtigkeit, da der Messerstich von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden war. Er und seine Frau wollte den zuvor angegriffenen Kindern lediglich zur Seite stehen und wurden dann selbst zur Zielscheibe der Gewalt des Angeklagten. Die Perspektive des Betroffenen rechter Gewalt ist bei RDL nachzuhören.
Die Aussage der Frau wurde durch einen Dolmetscher simultan ins und aus dem Spanischen übersetzt. Ihr fällt es sehr schwer sich nochmal in die Situation zu begeben, da sie versucht habe die Geschehnisse zu verdrängen. Zu belastend sei der Angriff auf sie gewesen, macht sie vor Gericht deutlich: "Zu sehen, wie der Mensch, den du liebst, verletzt ist, ist das Schlimmste, was in meinem Leben passiert ist.", fasst sie die Situation nach dem Pfefferspray- und Messerangriff unter Tränen zusammen. Sie fühle sich in Deutschland nicht mehr sicher und wolle am Liebsten wieder in ihre Heimat in Lateinamerika zurückkehren, erklärt sie dem Gericht weiter. An mehreren Stellen äußert die Geschädigte und Nebenklägerin den Respekt, den sie gegenüber dem Gericht empfindet. Bei Radio Dreyeckland sprach die Betroffene rechter Gewalt exklusiv über die Geschehnisse.
Nach diesen Aussagen wurden zwei Polizei-Zeugen einbestellt, die beide aus den Vernehmungen weiterer Zeug*innen berichtet haben.
Es folgte die Aussage einer Zeugin, die gemeinsam mit ihrer damaligen Freundin die Geschehnisse von einem Balkon in der Nähe beobachten konnte. Ihr sei die Situation "wahnsinnig" vorgekommen, denn sie sah, wie Robert H. zunächst den Jugendlichen nachstellte und sich auch von dem Nebenkläger kaum abhalten ließ, er dabei aber keinen Ton von sich gegeben habe.
Der letzte geladene Zeuge beschrieb v.a. die Situation, zwischen dem Nebenkläger und Robert H. Der Zeuge habe versucht den Nebenkläger auf Abstand zu H. zu bringen, der das Messer in der Hand hielt. Die Sichtweise des Zeugen beschrieb er wenige Wochen nach dem Angriff bereits bei Radio Dreyeckland im Interview.
Im Anschluss wurde das ärztliche Attest des Nebenklägers aus der Uniklinik verlesen, sowie zwei Vernehmungsprotokolle aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Das Gerichtsverfahren wird am Dienstag, 24.07.2024, fortgesetzt und das Urteil wird voraussichtlich am Dienstag in einer Woche, den 30.07.2024, gesprochen.
(jr)