Der zweite Prozesstag vor dem Landgericht in der Strafsache gegen Robert H. begann mit der Vernehmung dreier Polizei-Zeugen.
Der erste Beamte, Herr Z., war zuerst am Tatort eingetroffen und merkte an, dass Robert H. sein Messer erst fallen ließ, nachdem der Polizist seine Waffe gezogen und vor sich gehalten hatte. H. habe sich dann widerstandslos festnehmen lassen. H. habe behauptet in Notwehr gehandelt zu haben, bzw. sei davon überzeugt gewesen.
Zum Auslöser für den Einsatz sei es gekommen, so erklärte Hr. Z. vor Gericht, weil Herr H. von drei „linken Spinnern“ angegriffen worden wäre und sich dieser mit Pfefferspray verteidigt hätte. Erst auf der Fahrt zum Tatort bekamen die Beamt*innen die Information, dass ein Messer im Spiel gewesen sei. Später habe Robert H. von seiner „freien Mitgliedschaft“ in der AfD berichtet und über seine Kandidatur in den Stadtratwahlen.
Auf Nachfrage erklärte Polizeibeamter Z. sie seien in Uniform als Polizei erkennbar gewesen und Z. habe H. in einer „psychischen Ausnahmesituation“ wahrgenommen, statt „autistisch“, wie ein Zeuge ausgesagt hatte, was H. dazu bewogen haben könnte, dass er die Polizist*innen zunächst nicht also solche wahrgenommen habe.
Der zweite Polizist, Hr. K. vom Kriminal-Dauerdienst sagte vor dem Landgericht aus, er habe Robert H. bei seiner Vernehmung belehrt und ihm die Beweise vorgelegt. Der Verdächtige habe sich dabei durchweg unkooperativ verhalten, was dem Polizisten seltsam vorgekommen sei, weil H. sich als Geschädigter gesehen habe.
Als dritter Zeuge sagte Staatsschutzbeamter KHK Kurz aus, der mit der Endsachbearbeitung in der Strafsache betraut wurde. Seine Aussage ließ tief in seine einseitige Sachbearbeitung blicken.
Zu Robert H. habe er ein enges Vertrauensverhältnis „erarbeitet“. H. habe sich darauf eingelassen den Pin seines Handys mit zitternden Händen einzugeben, im Gegenzug habe Kurz ihm versichert lediglich die verfahrensrelevanten Daten zu ziehen.
Kurz schilderte, er habe H. als „eingeschüchtert“ wahrgenommen und, dass dieser keinerlei „Belastungseifer“ aufgewiesen hätte, wie in der Presse behauptet worden wäre. Zudem habe er bei H. „große Konzentrationsprobleme“ festgestellt, weshalb es für Kurz plausibel sei, als H. ihm gegenüber ausgesagt habe, dass eine Verdachtsdiagnose „Autismus“ bestünde. Mit Gedächtnisschwierigkeiten und Schwierigkeiten sich Gesichter zu merken, habe H. ihm auch angegeben, weshalb er in unterschiedlichen Situationen filmen würde.
Der Angeklagte habe Kurz auch erörtert, er würde auf linke Demonstrationen gehen, um dort zu filmen und habe dabei auch angegeben sich der AfD- sowie Querdenken-Szene zugehörig zu fühlen. Wieso es für Robert H. relevant ist, sich an Gesichter von Teilnehmenden von linken Demonstrationen erinnern zu können, ließ sich abschließend nicht klären. H. erwähnte, dass der Vorwurf bestanden habe, er würde „Anti-Antifa-Arbeit“ machen. Das würde aber nicht stimmen, beteuerte Robert H. vor Gericht.
Über den Vorfall, am 12.06.2021, habe H. gegenüber Kurz erörtert, er sei zunächst von „Linksradikalen“ erkannt und beleidigt worden und eine Flasche sei geflogen. Gleichzeitig habe er nicht sagen können, wie genau die Flasche gefallen oder geworfen (worden) sei. Irgendwann habe Robert H. das Pfefferspray „ausgepackt“ und gegen die zwei Jugendliche gesprüht. Da die beiden Jugendlichen nicht von Robert H. abgelassen hätten, habe dieser angefangen diese zu filmen und anschließend nochmal Pfefferspray gesprüht, nachdem sie verbal und physisch deutlich gemacht haben, dass sie nicht gefilmt werden wollten.
Die Situation habe sich dann verlagert, als das Ehepaar mit dem Auto dazugekommen war. Der Mann hätte Robert H. „bedrohend und beleidigend“ gegenüber gestanden. Er sprühte Pfefferspray gegen beide, weil an Robert H. gezerrt worden sei. Wer an ihm gezerrt haben soll, blieb zum Schluss des Verfahrens unklar. Von der dazugekommenen Nebenklägerin, Frau A., die H. ebenfalls aufgefordert hatte, einfach zu gehen, habe dieser nur die Hand wahrgenommen und als er gegen sie, wie auch gegen den Nebenkläger, Herr A., Pfefferspray eingesetzt hatte, sei „die Hand“ verschwunden. Das Messer habe Robert H. anschließend eingesetzt, weil das Pfefferspray „kaputt oder leer“ gewesen sei.
Das Gericht fragte daraufhin KHK Kurz, warum Robert H. mit Pfefferspray und Messer ausgerüstet aus dem Haus ginge. Kurz gab an, H. sei mehrfach angegriffen worden, in der Vergangenheit, und habe ihm gegenüber ausgesagt, dass er das Klappmesser zusätzlich „zum Brötchen Aufschneiden“ dabei gehabt hätte.
Zur Behauptung, dass die Jugendlichen, die nicht von Robert H. abgelassen hätten, nachdem sie ihn erkannt hätten, blieb es für Kurz unklar, was genau gesagt worden sei. Die Situation sei kurz abgelaufen und die Jugendliche gingen anschließend in eine andere Richtung, als Robert H. Der Angeklagte folgte ihnen sodann, weil er sie anzeigen wollte. Dann habe H. ausgesagt, er sei „gehauen worden“ sein und dass er deswegen Pfefferspray gesprüht hätte. Der „Großteil des Geschehnis“ sei jedoch „einfach weg“, die Jugendlichen hätten aber „auf jeden Fall versucht das Handy wegzureißen“. Auf die Nachfrage, wieso H. Pfefferspay eingesetzt hätte, habe H. ausgesagt, dass die Beiden nach dem Handy gehauen hätten. Später, in der Situation mit dem dazugekommenen Ehepaar hätte es eine „Rangelei“ mit Herr A. gegeben. Dann sei noch „eine Frau“ dazugekommen und irgendwer hätte an dem Angeklagten „gezerrt“ oder „gezogen“ und Robert H. hätte wahrscheinlich deshalb Pfefferspray auch gegen das Ehepaar gesprüht.
Bei den Schilderungen der Zeuginnenvernehmung beider Frauen, die in der Nähe der Situation in der Weddigenstraße wohnten, zeigte sich eine gewisse Voreingenommenheit des ermittelnden Beamten. Bei der Vernehmung habe sich herausgestellt, dass einer der beiden Jugendlichen in der Nachbarschaft der Zeuginnen gewohnt habe. Sichtlich nervös sei eine der eiden Zeuginnen „mit der Sprache raus gerückt“. Dabei versprach sich KHK Kurz, in dem er die Jugendlichen zunächst als „Täter“ bezeichnete und sich korrigierend fortan über die beiden „Linken“ ausließ. Das war das einzige Mal, als Kurz diesen Begriff in seiner Aussage vor dem Landgericht verwendete. Der Angeklagte ist in den Augen des Ermittlers anscheinend kein Täter – selbst wenn dieser die begangenen Taten gar nicht bestritt.
Den Anschein von gewissen Sympathien zu haben – auch wenn dieser das vor Gericht bestritt - machte der vernommene Polizeibeamte außerdem, als er Robert H. in seinen Ausführungen als Opfer darstellte. H. sei in der Vergangenheit mehrfach geschädigt gewesen, vor allem von Beleidigung. Es habe eine Auseinandersetzung an der „Stadtbahnbrücke“ gegeben, [eigentlich Kaiserstuhlbrücke, Anmerkung des Redakteurs]. Danach sei Robert H. irgendwann in der Stadt gefilmt und das Video auf einer „einschlägigen Seite“ gepostet worden. In den Kommentaren sei Robert H. als „Messermann“ oder „Messerstecher“ betitelt worden. Kurz bemängelte in seiner Aussage, dass dieser immer so bezeichnet würde, auch in den Medien.
Den 2021 zuvor mit Pfefferspray angegriffenen und niedergestochenen Nebenkläger, Herr A., habe Kurz ebenfalls angerufen, um ihn zu informieren, dass er gegen diesen in einer Strafsache ermittle, er also selbst Verdächtiger in einem Strafverfahren (Beleidigung, Bedrohung und versuchte Körperverletzung) sei. Belehrt habe er ihn dabei nicht. Kurz sei nicht dazu gekommen, erläuterte er vor Gericht. Der Verletzte sei wütend geworden, habe Kurz daraufhin nicht mehr zu Wort kommen lassen und habe anschließend das Telefonat beendet. Es machte den Anschein, als habe sich die Empathie des KHK Kurz für den Nebenkläger, Herr A., in bescheidenen Grenzen gehalten. Völlig unverständlich halte er nämlich die Reaktion des Angerufenen. Im Gegenteil machte er das eigentliche Opfer zum Täter, bzw. gab ihm ihm eine Mitschuld an der Attacke auf ihn, in dem er über den Angriff auf A. mit Pfefferspray und Messer aussagte: „Wenn er sich so verhalten hat, kann ich durchaus nachvollziehen, wie es zur Situation kam.“
Ob der Angeklagte zuvor mit Gewalttaten in Erscheinung getreten sei, verneinte der Kriminalbeamte fälschlicherweise bei seiner Vernehmung. Auf die Falschbehauptung entgegnete er nach der Konfrontation durch den Nebenklagevertreter, Nikolai Erschig, später, er habe es falsch verstanden und die Frage so aufgefasst, ob Kurz (mutmaßliche) Gewalttaten von H. in der Vergangenheit selbst bearbeitet hätte. Denn auf der Kaiserstuhlbrücke hatte es 2019 die erwähnte Auseinandersetzung zwischen Dubravko Mandic, Robert H. und Linken gegeben, die AfD-Wahlplakate bewegten. Robert H. hatte dabei mit einer Blechschere auf den (glücklicherweise) behelmten Kopf eines hinzugekommenen Fahrradfahrer geschlagen. Das Verfahren sei wegen mutmaßlichem Notwehrexzess eingestellt worden, entgegnete Kurz auf die Nachfrage der Neonazi-Verteidigerin Schneiders.
Die einseitige Ermittlung des KHK Kurz wurde auch deutlich, als es um das Thema der „Gefährderansprache“ ging. Dem verletzten und traumatisierten Mann, Herr A., wollte KHK Kurz bei dem erwähnten Telefonat nämlich eine Gefährderansprache halten. Er solle sich von Robert H. fern halten, hätte sie gelauten. Das Opfer rechter Gewalt solle sich also von dem Täter fernhalten und nicht anders herum.
Kurz gab vor Gericht an, dass sein Kollege auch bei Robert H. eine Gefährderansprache gehalten hätte. Später stellte sich jedoch heraus, dass auch diese Angabe nicht stimmt.
Robert H. wurde lediglich geraten, linke Demonstrationen zu meiden und wurde darauf hingewiesen, dass eine solche auch an seinem Wohnort vorbeiführen würde, zur Sicherheit aber Polizeibeamte in der Nähe postiert gewesen seien. Eine Gefährdetenansprache statt Gefährderansprache also. Eine Erkenntnis, die auch in der ersten Instanz bereits festgestellt wurde.
Nach der Vernehmung des KHK Kurz wurden eine Reihe an Akteneinträge verlesen und in Augenschein genommen. Ein rotes Flugblatt, das ein paar Tage nach der Gewalttat vom 12.06.2021 in der Unterwiehre aufgehangen worden sei, um den „solidarischen Ersthelfer“ zu finden, um sich „bei ihm zu bedanken“ und das „weitere Vorgehen zu besprechen“.
Dann die Einstellung des Strafverfahrens gegen Herr A. wegen Beleidigung, Bedrohung und versuchter Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft konstatierte darin ein Mangel an öffentlichen Interesse, da die Strafe auch gering ausgefallen wäre. Die Beschimpfungen seien zudem erst nach den Verletzungen durch Pfefferspray und Messer erfolgt, so die Staatsanwaltschaft in der Begründung weiter. Außerdem sei die Aggression von Robert H. ausgegangen.
Der in Augenschein genommene Auszug aus den Wahlvorschlägen zur Kommunalwahl 2024 gab an, dass Robert H. als chemisch-technischer Assistent beschäftigt sei. Da der Angeklagte sich weigerte nähere Angaben zur Person zu machen, wurde dadurch versucht, sich über die Einkünfte von Robert H. ein Bild zu verschaffen.
Anschließend fragte der Sachverständige von der Uniklinik, Prof. Dr. Dieter Ebert, der dem gesamten Verlauf des Gerichtsprozesses beiwohnte, Robert H., ob dieser bereit wäre unter Ausschluss der Öffentlichkeit Angaben zu machen, die ihm zu einem Gutachten verhelfen würden.
Robert H. hatte zuvor Bedenken geäußert, sich dazu zu äußern, weil er sich davor ängstigte, dass das bekannt würde. Aber auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit war der Angeklagte nicht bereit zu weiteren Angaben. Er wolle nicht, dass der (angebliche) Asberger-Autismus eine Rolle spielt in dem Verfahren. Er finde es „verwerflich“, dass es „darauf geschoben“ würde, wenn man „Opfer von Angriffen“ würde. Um Rückschlüsse auf die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit machen zu können, müsste der Angegklagte aber nähere Angaben machen, so der Sachverständige Ebert weiter.
Entsprechend konnte dieser bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht lediglich spekulative Aussagen tätigen. Die Autismus-Diagnostik im Erwachsenenalter sei aufwändig, ergänzte er. Auf dieser hypothetischen Ebene folgten dann Ausführungen über eine mögliche geistige Einschränkung Robert H.s
Auf Nachfrage des Nebenklagevertreters, Erschig, erklärte der Sachverständige, Ebert, dass die Möglichkeit durchaus bestünde, dass Robert H. lediglich behaupte, autistisch zu sein.
Vor der Mittagspause regte Verteidigerin Schneiders an, eine Videoaufnahme als Beweis aufzunehmen, deren Tonspur eine Situation wenige Tage nach Tattag darstellen soll. Robert H. sei wenige Tage nach der Tat zufällig dem Geschädigten begegnet und dieser habe ihn bedroht. Bei der Aufnahme, die nach der Pause auf dem Laptop der Verteidigerin abgespielt und vor Gericht in Augenschein genommen wurde, waren zwar Ausdrücke zu hören, wie „AfDler sind eh‘ Abschaum“ und „Es ist das Allerletzte, was du gemacht hast“. Dass es sich dabei aber um Herr A. gehandelt haben soll, davon zeigte sich lediglich Nicole Schneiders überzeugt.
Entsprechend plädierte Nicole Schneiders dafür, dass sich ihr Mandant am 12.06.2021 nicht strafbar gemacht habe. Anfangs eine Analogie zu einem Kaufhausdetektiv gezogen, der einen Kaufhausdieb stellt und vom „Jedermannsrecht“ Gebrauch machen würde, berief sie sich später auf H.s angebliche „Erkrankung“, die ihn zur „Fehlinterpretation“ einer Berührung geführt und sich daraus eine „Notwehrlage“ entwickelt hätte. Am Ende des widersprüchlichen Plädoyers Schneiders forderte sie, sollte Robert H. verurteilt werden, solle ein „erheblich strafminderndes Urteil“ fallen und eine Verwarnung würde in den Augen Schneiders ausreichen.
Die Staatsanwältin legte „juristisch-schulbuchmäßig“ dar, weshalb sich Robert H. schuldig gemacht habe. Seine Sprühstöße gegen Frau und Herr A. seien zielgerichtet erfolgt und eine Verletzungsabsicht oder zumindest eine billigende Inkaufnahme dieser erwiesen. Die Notwehr-These sei widerlegt, denn „Da gab es eine Hand“, sei lediglich eine spekulative Aussage und die Staatsanwaltschaft sei durch Zeuginnenaussagen überzeugt, dass es keine Berührung zwischen Angeklagten und Geschädigten gegeben habe. Die Körperverletzung sei auch nicht fahrlässig erfolgt, denn selbst wenn es eine Berührung gegeben hätte, wäre Einsatz von Pfefferspray nicht verhältnismäßig. Der Sachverständige habe außerdem keine Handlungseinschränkung ausgesprochen, so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.
Sie blieb abschließend bei der erstinstanzlichen Forderung von 120 Tagessätzen. Aufgrund der langen Verfahrensdauer seien jedoch 20 Tagessätze als geleistet bzw. vollstreckt anzusehen. Außerdem forderte die Staatsanwältin, das Pfefferspray einzuziehen.
Der Nebenklagevertreter, Nikolai Erschig, schloss sich den Ausführungen der Staatsanwältin an. Er erklärte, dass sich die Verteidigung auf Herr A. eingeschossen habe, wegen seines Belastungseifers. Da dieser mit Pfefferspray und Messer angegriffen wurde, sei das aus der Sicht des Nebeklagevertreters aber durchaus verständlich. Von Seiten seiner Mandant*innen gab es jedoch keinen Angriff. Auf der Aufzeichnung des Notrufs, das Robert H. abgesetzt hatte, sei Herr A.s Stimme erst zu hören, als bereits „der Schalter“ umgelegt gewesen sei, nachdem seine Frau und er angegriffen wurden. Dass die Stimme von Frau A. auf der Aufzeichnung nicht zu hören ist (und die Verteidigung es so interpretiert haben möchte, dass die Verletzung Frau A.s deshalb gar nicht so schlimm gewesen wäre), sei schlichtweg technisch möglich.
Eine vorauseilende Nothilfe der beiden Eheleuten (den Jugendlichen Wasser anzubieten und Robert H. zum Ablassen aufzufordern) ist durchaus möglich und ein „brutaler Angriff“ auf sie deshalb nicht gerechtfertigt.
Zu der Autismus-These äußerte sich der Nebenklagevertreter, dass die Annahme, dass bei dem Angegklagten ein Asberger-Autismus vorliegen würde, rein spekulativ sei. Robert H. habe deutlich gemacht, dass er voll zurechnungsfähig sei, so im Plädoyer weiter. Doch selbst wenn es eine leichte Berührung gegeben hätte und der Angeklagte Autist wäre, sei der Einsatz von Pfefferspray unverhältnismäßig, unterstreicht der Nebenklagevertreter Erschig.
Die Strafe der gefährlichen Körperverletzung, die eigentlich mit mindestens 3 Monaten bis maximal 6 Jahren Freiheitsstrafe geahndet wird, sei im Falle von Robert H. bereits sehr weit unten angesetzt, lege hier kein minderschwerer Fall vor. Außerdem bemerkte der Nebenklagevertreter, dass es klinisch undenkbar sei, anzunehmen bzw. zu behaupten, dass Menschen, die an dem Syndrom leiden, dermaßen gefährlich sind. Er sieht darin eine unrechtmäßige Behauptung.
Zu einer höheren Strafe als vor dem Amtsgericht darf der Angeklagte nicht verurteilt werden. In Anbetracht dessen, dass Robert H. bei der diesjährigen Stadtratswahl jedoch angab, berufstätig zu sein, könne aber die Tagessatzhöhe erhöht werden.
Besonderen Augenmerk warf der Nebenklagevertreter dann auf die schweren Folgen der Tat.
Herr A. habe Zivilcourage gezeigt, den verängstigten Jugendlichen zu helfen. Ihm sei es dabei völlig egal gewesen, wem er da hilft, da ist Nikolai Erschig überzeugt: „Mensch ist Mensch – egal ob links oder rechts“, habe Herr A. ausgesagt. Die Folgen für seine geleistete Hilfe seien derweil beachtlich. Das Pfefferspray sei die eine Sache, der Messerstich war aber zentral für seinen Mandanten. Der Anwalt zitierte anschließend aus dem Notrufprotokoll, der die Situation in etwa zusammenfasst: „Ja dann legen Sie das Messer weg und das Pfeffer auch. Es ist kein Grund wegen einem Tritt (sic) mit dem Messer zu stechen.“
Herr A. leide an den schwerwiegenden psychischen Folgen, er habe Albträume und Depressionen, so lautete es im Plädoyer weiter. Er würde psychologisch betreut und ihm fiele es schwer, die Ereignisse aufzuarbeiten.
Anschließend legte der Nebenklagevertreter die Situation für Frau A. dar. Ihr sei es sichtlich schwer gefallen, die schwere Tat wieder „hoch zu holen“, sei aber bereit gewesen, „aus Respekt vor dem Gericht“ ihre Aussage so korrekt wie nur möglich zu tätigen. Frau A. lebt viele Jahre in Deutschland. Von ihrem Sicherheitsgefühl in Deutschland zu leben, sei nun nichts mehr übrig.
Übrig bliebe die Frage nach dem „Warum“. Robert H. entschuldigte sich bei Frau und Herr A. weiterhin nicht. Für das Ehepaar sei es eine „große Hürde damit abzuschließen“, so der Nebenklagevertreter. Deshalb plädiere er an das Gericht, das Ehepaar beim Urteil zu berücksichtigen, so dass es ihnen helfe, damit abzuschließen. Mit einem Zitat von Herr A. schließt das Plädoyer der Nebenklage: „Ich werde auch in Zukunft allen helfen, die Hilfe brauchen.“
Als letztes Wort ergriff der Angeklagte Robert H. das Wort. In seinen Ausführungen verdeutlichte er, dass er sich weiterhin im Recht sehe und keiner Schuld bewusst ist. Bei dem Ehepaar würde sich H. „ganz sicher nicht entschuldigen“. Im Gegenteil macht er Vorwürfe gegen die von ihm Verletzten. Sie hätten „Kriminellen“ zur „Flucht“ verhelfen wollen. In der hasserfüllten Erklärung, die sich erst gegen Frau und Herr A. richtet, schließt Robert H. in bester AfD- und Querdenken-Manier ab: „Ich habe nur noch Verachtung für die Justiz. Für mich ist es auch nur eine Form der organisierten Kriminalität.“ Robert H. wolle freigesprochen werden.
(jr)