Für Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen: Regierungspräsidium zwingt die Stadt Freiburg dazu, die Bezahlkarte einzuführen

Regierungspräsidium zwingt die Stadt Freiburg dazu, die Bezahlkarte einzuführen

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Flyer zum Gutscheintausch der Initiative Bezahlkarte stoppen. Jeden Freitag zwischen 16 Uhr und 18 Uhr am Kyosk, Adlerstraße 2. "Wir sagen nein zur Bezahlkarte in Freiburg und überall."
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https://bezahlkarte-stoppen.org

Die Stadt Freiburg hatte sich bisher geweigert die Bezahlkarte für Personen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, einzuführen. Statt auf die rassistische Entmündigung der Betroffenen aufmerksam zu machen, hatten städtische Vertreter*innen zumeist einfach auf den hohen bürokratischen Aufwand verwiesen. Nun zwingt das Regierungspräsidium Freiburg in Folge eines Erlasses des baden-würtembergischen Justizministeriums aus dem Oktober 2024, der die landesweite Einführung vorsah, die Stadt allerdings nach RDL vorliegenden Informationen, per Weisung, die Bezahlkarte einzuführen. Das geschieht gegen den expliziten Willen der Gemeinderatsmehrheit und der Stadtverwaltung. Darüber informierte Sozialbürgermeister Kirchbach (SPD), der auch darauf verweist, dass Oberbürgermeister Horn noch Anfang August in einem Telefonat Regierungspräsident Gabbert die Bedenken der Stadt gegen die Einführung der Bezahlkarte übermittelt habe. „Aus meiner politischen Überzeugung haben wir dem vom Land aufgebauten Druck zur Einführung der Bezahlkarte in Freiburg bislang standgehalten“, erklärt Ulrich von Kirchbach. Dies gehe nun durch die Weisung des Regierungspräsidiums nicht mehr. Ob das Vorgehen des Regierungspräsidiums gegenüber der Stadt rechtlich haltbar ist, ist allerdings nicht ganz so klar. Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht die Deckung des notwendigen Bedarfs „durch Geld- oder Sachleistungen oder in Form von Bezahlkarten“ gleichrangig vor. Anders als dies in der Öffentlichkeit derzeit oft dargestellt wird, gibt es aktuell noch keinen gesetzlichen Vorrang für die Verwendung der Bezahlkarte. Das Gesetz sieht zudem eine Ermessentsentscheiung durch die zuständige Leistungsbehörde, in diesem Fall also die Leistungsabteilung im Amt für Migration und Integration (AMI), vor. Dazu schreibt der wissenschaftliche Dienst des Bundestags: "Daraus folgt, dass die örtlich zuständige Leistungsbehörde bei der Entscheidung über die Einführung und Ausgestaltung einer Bezahlkarte stets eine individuelle Einzelfallprüfung vornehmen und atypischen Sonderfällen und örtlichen Besonderheiten angemessen Rechnung tragen muss." Ob das Regierungspräsidium dem Amt für Migration und Integration den Spielraum für eine individuelle Einzelfallprüfung lässt und wie dann die AMI  damit umgeht, bleibt abzuwarten. Der für die Einführung der Bezahlkarte notwendige „Rollout-Prozess“, solle, so das Regierungspräsidium, bis spätestens zum 10. Oktober angestoßen sein. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags schreibt derweil klar: „Verwaltungsvorschriften müssen mit höherrangigem Recht vereinbar sein.“ Da Freiburg aufgrund der Landeserstaufnahmestelle schon seit einigen Jahre von der sogenannten Anschlussunterbringung befreit ist, wären in Freiburg von der Bezahlkarte größtenteils Menschen betroffen, die schon einige Jahre in Freiburg wohnen. Unter Ihnen zahlreiche Menschen, die schon viele Jahre hier wohnen, ein eigenes Konto haben und teilweise auch schon in „normalen“ Wohnungen leben. Dadurch dürfte sich der bürokratische Aufwand noch einmal erhöhen. Schließlich muss geregelt werden, wie die Miete zukünftig überwiesen wird, etc. Es handelt sich um eine wahnsinnige Schikane und Entmündigung. Die Betroffenen werden nicht mehr in allen Läden einkaufen können, günstige Einkäufe per Internet oder auch auf dem Flohmarkt werden mindestens erschwert, wenn nicht komplett unmöglich.

Auch für das Amt für Migration und Integration wird die Einführung der Bezahlkarte einen großen Mehraufwand bedeuten. „Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Rückführung von neu zuziehenden ukrainischen Schutzsuchenden aus dem Bürgergeld in das Asylbewerberleistungsgesetz mit erheblichem zusätzlichem Arbeitsaufwand für die Leistungsabteilung verbunden sein wird“, erklärt Sozialbürgermeister Kirchbach. „"Es ist ein Unding, dass das Land Baden-Württemberg die Stadt Freiburg, gegen den mehrheitlichen politischen Willen des Gemeinderats und der Verwaltungsspitze, zwingt die Bezahlkarte einzuführen. In der Folge wird Personal, das dringend im Amt für Migration zum Abarbeiten des Antragsstaus gebraucht wird, unsinnig gebunden, entstehen hohe zusätzliche Kosten für die Stadt und wird vor allem rassistische Symbol- und Stigmatisierungspolitik auf den Rücken von Geflüchteten gemacht. Als Fraktion Eine Stadt für alle und Listen werden wir Solidaritäts- und Umtauschprojekte aktiv unterstützen und alles dafür tun, dass diese Politik rückgängig gemacht wird," sagt Linke Listen Stadtrat Gregor Mohlberg gegenüber Radio Dreyeckland. Die Initiative Bezahlkarte stoppen organisiert schon seit einigen Monaten, bisher für Bewohner*innen der Landeserstaufnahmestelle und Geflüchtete aus dem Landkreis, im Kyosk (Adlerstraße 2) in Freiburg jeden Freitag zwischen 16 und 18 Uhr eine Umtauschbörse. Hier können Einkaufsgutscheine, zumeist von Dm, Aldi etc. gegen Bargeld erworben werden, so dass dann an Personen, die von der Bezahlkarte betroffen sind und die sich die Einkaufsgutscheine über die Bezahlkarte besorgt haben, Bargeld ausgezahlt werden kann, so dass sie ein kleines bißchen an Selbstbestimmung zurück erhalten. Die Beantwortung einer ausführlichen Anfrage zur Weisung an die Stadt Freiburg hat das Regierungspräsidium gegenüber Radio Dreyeckland für Mitte nächster Woche angekündigt. Wir werden auch darüber berichten, ob die Stadt Freiburg die Weisung rechtlich prüfen lässt und ob Einzelfallprüfungen zukünftig stattfinden oder nicht. Sozialbürgermeister Kirchbach kündigt Informationen zum aktuellen Stand für die gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Migration und Integration und des Ausschusses für Schulen und Weiterbildung am 25. September an. (FK)

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RDL Redakteur Michael fordert im Morgenradio die Stadt auf, rechtlich gegen die Verfügung vorzugehen: 5:24