Polizeikessel bei EZB Demo 2013: Verfassungsgericht schränkt eigene Rechtssprechung zur Versammlungsfreiheit zu Gunsten Polizeiübergiffen ein.

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Verfassungsgericht schränkt eigene Rechtssprechung zur Versammlungsfreiheit zu Gunsten Polizeiübergiffen ein.

Seit dem Brokdorf-Urteil des Verfassungsericht galt: Polizeiliche Massnahmen müssen die Rechte der friedlichen DemoteilnehmerInnen vollumfänglich wahren , auch wenn aus Teilen der Demonstration Straftaten begangen werden.
Mit dem am 14.12.2016 veröffentlichten Beschluß der 3. Kammer des Bundesverfassungserichtes vom 2. November leitet das Verfassungsgericht eine erkennbare, grundlegende Umkehrung dieser Hochschätzung der Versammlungsfreiheit ein.

Im Jahr 2013 hatte die Polizei bei den Anti-EZB Demos einen ganzen Demoblock mit nicht weniger als 943 Teilnehmenden zwischen 12 Uhr 49 und 17 Uhr eingekesselt und erst nach Video-Identitätsfeststellung an 15 Punkten entlassen. Basis war der bloße Polizeiverdacht, der Block als Ganzes sei für Pyro und  Farbeutelwürfe verantwortlich. Dieser bloßen polizeiliche Anscheins-Verdachtsstrategie gab das Verfassungsericht gegen einen Beschwerdeführer statt. Gegen Ihn waren sämtliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden.
Die Kehrtwende der Richter im Wortlaut der PM : "Es verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, wenn die Polizei einen Anfangsverdacht gegen alle Mitglieder einer Gruppe als begründet ansieht, die sich aufgrund dichtgedrängter Staffelung, Sichtschutz und Vermummung vom übrigen Versammlungsgeschehen abhebt und aus der heraus eine Vielzahl von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten begangen werden. Die zu diesem Teil des Aufzugs gehörenden Personen zeigen ein planvoll-systematisches Zusammenwirken mit einer Vielzahl von Gewalttätern und erwecken den Eindruck der Geschlossenheit, so dass die Einsatzkräfte als Grundlage einer Identitätsfeststellung davon ausgehen durften, dass Gewalttäter in ihren Entschlüssen und Taten bestärkt würden."

Die Richter der 3.Kammer beliessen es aber nicht bei dieser 180 Grad-wende der Kollektiv-Anscheinshaftung. Nur noch zynisch mutet die Rückweisung, der Verweigerung unmittelbaren Rehtsschutzes auch gegen die nur vermutete "Zugehörigkeit" an:  "Auch die fachgerichtliche Feststellung, ein Festhalten des Beschwerdeführers sei allein bis zum Passieren einer der Video-Durchlassstellen und damit nicht länger als zur Feststellung der Identität unerlässlich erfolgt (§ 163c Abs. 1 Satz 1 StPO), begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere hat die Polizei 15 Durchlassstellen eingerichtet, die die Feststellung der Identität von drei Personen pro Minute und noch vor Ort ermöglichten. Dabei haben Teile der von der polizeilichen Maßnahme betroffenen Gruppe durch erhebliche körperliche Widerstandshandlungen gegen die eingesetzten Polizeikräfte selbst zu einer Verlängerung der Gesamtdauer der durchgeführten Maßnahmen beigetragen (...3....)Da die Identitätsfeststellung noch vor Ort, mittels 15 Durchlassstellen für 943 Personen erfolgte, das Verlassen des Kessels sich also unmittelbar an die Identitätsfeststellung anschloss, durfte von der Zulässigkeit einer Identitätsfeststellung vor Ergehen einer richterlichen Entscheidung ausgegangen werden."

kmm

PMhttp://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/bvg16-093.html

Beschluss