5 Punkte für mehr Kontrolle und Abschottung, 1 Punkt für mehr Umsiedlungen: Deutschland, Frankreich, Italien und EU-Kommission einigen sich auf Aktionspunkte in der Flüchtlingspolitik kurz vor EU-Innenministerrat

Deutschland, Frankreich, Italien und EU-Kommission einigen sich auf Aktionspunkte in der Flüchtlingspolitik kurz vor EU-Innenministerrat

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EU-Flüchtlingspolitik zusammengefasst
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Am Montag haben sich die Innenminister Frankreichs, Deutschlands, Italiens und der Europäische Kommissar für Migration und Inneres Dimitris Avramopoulos auf Massnahmen geeinigt, um so wörtlich "eine verstärkte Unterstützung an Italien zu leisten und dazu beizutragen, die Migrationsströme aufzuhalten". Grund dafür ist, dass seit Anfang des Jahres rund 100.000 Menschen die Flucht in die EU über das zentrale Mittelmeer gewagt haben und die italienische Regierung deswegen droht, seine Häfen für Bootsflüchtlinge zu schliessen.

Die Einigung zwischen den drei Schwergewichten der EU und dem Kommissar kommt wenige Tage vor einem Treffen der Innenminister der Mitgliedstaaten am morgigen Donnerstag im estnischen Tallinn. Sie soll als Vorlage dienen, der sich die anderen Mitgliedstaaten anschliessen sollten.

Trotz aller Solidaritätsbekenntnisse einigten sich die vier Innenpolitiker hauptsächlich auf repressive Massnahmen. In einem einzigen Punkt ganz am Ende erklären die deutschen und französischen Innenminister schwammig, dass sie mehr Schutzbedürftige aus Italien umsiedeln werden, wie sie es schon früher vereinbart hatten. Bei allen anderen fünf Punkte geht es um die Kontrolle der Seenotrettung, vorverlagerte Grenzkontrollen in Libyen und Abschiebungen. So soll es laut der gemeinsamen Erklärung künftig ein Verhaltenskodex für Nichtregierungsorganisationen geben, die in der Seenotrettung aktiv sind. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollen zudem die libysche Küstenwache stärken und mögliche Optionen für verstärkte Grenzkontrollen an der Südgrenze Libyens prüfen. Schliesslich soll die EU die Abschiebungen verstärken, sowohl mit den Mitteln von Frontex als auch mit der Erpressung der Herkunftsländer in der Visa-Politik. Die flüchtlingspolitische Organisation Pro Asyl kritisierte am Montag prompt eine Einigung auf Kosten der Flüchtlinge.

Diese Woche tagt das Europäische Parlament wieder im Plenum, und so sprachen einige Fraktionen dieses Thema bei ihren Pressekonferenzen am gestrigen Dienstag an.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, der grössten Fraktion im Europaparlament, der CSU-Abgeordnete Manfred Weber, schwang zunächst grosse Worte von Notstand, von Europa, von Solidarität, vom Handlungsbedarf: 0:34

Doch was der konservative Europaabgeordnete anschliessend tatsächlich an Aktionen forderte, deckte sich natürlich sehr gut mit der Abschottungspolitik der Innenminister. Er forderte,...: 0:25

Manfred Weber bekannte sich mit keinem Wort zur Seenotrettung. Auch kein Wort darüber, dass begrenzte Flüchtlingskontingente keine grossen Veränderungen bringen werden, solange die EU-Regeln Italien weiter für alle Flüchtlinge zuständig erklären, die über das zentrale Mittelmeer einreisen.

Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Gianni Pittella, fand seinerseits harte Worte gegen die europäische Abschottungspolitik und verteidigte dabei die italienische Regierung. Die Situation in Italien sei unhaltbar geworden, jedoch mehr bei der Aufnahme von Flüchtlingen als bei der Seenotrettung. Er forderte, dass die anderen europäischen Regierungen einen Teil der Verantwortung übernehmen, statt nur europäistische Übungen der Mundmuskulatur von sich zu geben. Und Gianni Pittella warnte zuletzt, bei der Bekämpfung von Schleppern dürfe man die Brandstifter nicht mit der Feuerwehr verwechseln. Konkret beteuerte er, dass die Nichtregierungsorganisationen für die Seenotrettung verantwortlich seien, und nicht für den Menschenhandel.

Bei allen harten Worten gegen die aktuelle Politik in der EU blieben jedoch auch die Vorschläge des sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden sehr von einer Vorstellung geprägt, in der die Grenzen der EU auf das afrikanische Kontinent vorverlagert werden. Auch er begrüsste die Bekämpfung von sogenannten Schleusern, die Stärkung der libyschen Küstenwache und auch er forderte eine Stabilisierung Libyens.

Bei der Pressekonferenz der linken Fraktion im Europaparlament kritisierte Cornelia Ernst die Ergebnisse des letzten Gipfels der Staats- und Regierungschefinnen der EU, bei dem es vor allem um Migrationspolitik ging: 1:31

Ihre Vorschläge in der Flüchtlings- und Migrationspolitik blieben relativ vage, orientierten sich aber mehr an den Menschenrechten und an der Situation der Schutzsuchenden, als an der Grenzkontrollbesessenheit der europäischen Regierungen: 1:12

Die Forderung nach sicheren und legalen Einreisewegen für Schutzsuchende kehrt oft im Diskurs von flüchtlingspolitischen Organisationen sowie von linken und grünen Politikerinnen. Meistens bleibt es bei dieser vagen Formulierung. Cornelia Ernst gab ein etwas konkreteres Beispiel dafür, worum es sich handelt: 0:31