Nachdem der Bundestag am gestrigen Donnerstag im Eilverfahren den neuen Asylkompromiss verabschiedete, ist heute morgen ab 9 Uhr 30 der Bundesrat an der Reihe. Wieder einmal gilt seine Zustimmung als sehr wahrscheinlich, weil die Bundesländer mit finanziellen Mitteln des Bundes gelockt wurden, und weil die Grünen in vielen Bundesländern, etwa im grün-roten Baden-Württemberg, ihre Macht im Bundesrat für die erneute Asylrechtsverschärfung nutzen statt dagegen.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert das Gesetz als Integrationsverweigerungsgesetz und als "Programm der Entwürdigung von Menschen". Sie appelliert an den Bundesrat, das Gesetz zu stoppen. Die Verlängerung der Kasernierung von Schutzsuchenden in Erstaufnahmeeinrichtungen auf bis zu 6 Monaten werde die Unterbringungsprobleme verschärfen und zu Gewalteskalationen führen. Die Ausdehnung der Arbeitsverbote und der Residenzpflicht würden Integration verhindern. Ebenfalls kritisiert Pro Asyl die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, wonach in Gemeinschaftsunterkünften das soziokulturelle Existenzminimum in Sachleistungen statt in Geldleistungen verteilt werden soll. Dies schaffe mehr Bürokratie, denn zum soziokulturellen Existenzminimum zählten unter anderem auch Telefonkosten, Lesestoff. Als "offener Verfassungsbruch" wertet Pro Asyl insbesondere die Möglichkeit, ausreisepflichtigen Menschen und Geduldeten, die angeblich nicht an ihrer Abschiebung mitwirken, die Leistungen unter dem soziokulturellen Existenzminimum zu kürzen. Dies gehe gegen einen Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Schliesslich wertet Pro Asyl als Eingriff in die Zuständigkeit der Länder etwa das Verbot, Abschiebungen anzukündigen.