In Protest gegen das geplante Asyl- und Einwanderungsgesetz in Frankreich haben Aktivistinnen am gestrigen Dienstag 348 Rettungswesten vor dem Senat abgeladen. Am gleichen Tag begann sich das Oberhaus des französischen Parlaments im Plenum mit dem Gesetz zu befassen.
Jede Rettungsweste trug den Namen eines Senatoren. Damit wollten die Aktivistinnen ein dreifaches Symbol setzen. Einerseits wollten sie auf die rund 35.000 Menschen aufmerksam machen, die seit 1993 auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertranken. Ausserdem wollten sie den Senatoren damit klarmachen, dass sie sich theoretisch irgendwann selbst in einer solchen Notlage befinden könnten. Und schliesslich wollten sie den Senatorinnen zeigen, dass sie mit ihrer Beteiligung an den Debatten auch wie Rettungswesten fungieren können, indem sie es nicht zulassen, dass "die Regierung das Asylrecht ertränkt". Einige Senatorinnen nahmen ihre Rettungswesten persönlich und öffentlich entgegen. Die meisten Rettungswesten sollen anschliessend dem Rettungsschiff Aquarius zur Verfügung gestellt werden.
Die Kritik der Aktivisten am geplanten Gesetz richtet sich gegen die Verschärfung des Asylrechts und des Umgangs mit abgelehnten Asylbewerberinnen. Die aktuelle Fassung des Gesetzentwurfs würde die Fristen verkürzen, in denen Menschen Asylanträge stellen oder gegen Entscheidungen klagen dürfen. Der Entwurf würde hingegen die zulässige Inhaftierungsdauer für Abschiebehäftlinge verlängern und anhängige Klagen vor dem Gericht für Asylfragen würden nicht länger automatisch vor Abschiebungen schützen. Allgemein fordern die Aktivistinnen die Senatoren dazu auf, sich der Kommunikation der Regierung zu widersetzen, die eine unwürdige und fremdenfeindliche Politik als vernünftig und pragmatisch verkaufe.
Im Senat haben Macrons Bewegung En Marche und ihre Bündnispartner keine Mehrheit. Deswegen ist die Regierung dort auf die starke Mitte-Rechts-Opposition angewiesen, oder auf die im Senat relativ starken Sozialisten, die teilweise mit der Regierung zusammenarbeiten. Im Senat wären also theoretisch sowohl Verschärfungen des Asyl- und Einwanderungsgesetz als auch deren mögliche Lockerung möglich.
Ein Ausschuss des Senats hat bislang jedoch eher für Verschärfungen beim geplanten Asyl- und Einwanderungsgesetz gesorgt. Insbesondere den Familiennachzug, den die Regierung und die Nationalversammlung vereinfachen wollten, haben die Mitte-Rechts-Parteien im Senat wieder eingeschränkt.
Der Senat ist im Gesetzgebungsprozess schwächer als die direkt gewählte Nationalversammlung. Im Falle einer andauernden Uneinigkeit zwischen beiden Parlamentskammern hat die Nationalversammlung das letzte Wort.
(mc)