"DIE Afrikaner im Blickfeld": Vorwürfe entpuppen sich als haltlos: zweites Urteil zum Ellwangen-Großeinsatz

Vorwürfe entpuppen sich als haltlos: zweites Urteil zum Ellwangen-Großeinsatz

LEA-Ellwangen.JPG

Die Landeserstaufnahmestelle Ellwangen
Lizenz: 
CC Attribution, Non-Commercial, Share Alike
Quelle: 
Foto: RDL

Nach dem bundesweit bekannt gewordenen Protest mehrerer Bewohner der Landeserstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge in Ellwangen gegen die Abschiebung eines Mitbewohners war die Polizei am 3. Mai frühmorgens mit einem Großaufgebot zurückgekehrt und hatte mehrere Personen festgenommen. Dabei drang die Polizei gewaltsam und überfallartig in mehrere Zimmer gleichzeitig ein. Nun findet eine Reihe von Verhandlungen vor dem Amtsgericht Ellwangen statt; allerdings nicht gegen die verantwortlichen Polizisten, sondern gegen Bewohner der LEA, denen u.a. tätliche Angriffe auf Polizeibeamte vorgeworfen wurden bzw. werden. Insgesamt sollen gegen 24 Personen Verfahren eingeleitet worden sein, davon kamen vier in Untersuchungshaft. Bei mehreren Personen gingen dieser Tage Strafbefehle ein, die laut Aussage des zuständigen Richters sinngemäß pauschal die gleiche Strafhöhe enthalten.

Ein erster Angeklagter, der nur einen Pflichtverteidiger hatte, wurde am 1. August zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt (RDL berichtete). Heute fand der Prozess gegen einen zweiten Bewohner der LEA Ellwangen statt. Er wurde wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" zu 90 Tagessätzen verurteilt. Der ursprüngliche Vorwurf des "tätlichen Angriffs" erwies sich in der Verhandlung als völlig haltlos. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, aber dafür, dass er länger als diese 90 Tage - und rückblickend offenbar ohne ausreichenden Grund - in Untersuchungshaft saß, bekommt er keine Entschädigung. Weitere zwei bis vier Prozesse sollen noch folgen.

Im Laufe des Prozesses wurde noch deutlicher als bereits im vorangegangenen Prozess klar, dass die Vorwürfe weitestgehend haltlos sind - insbesondere bestätigten dies die beteiligten Polizisten im Zeugenstand selbst. Auch die Begründung des Großeinsatzes selbst mit den willkürlichen Kontrollen von Personen, denen bis dahin nichts vorgeworfen wurde, ist rechtlich zumindest umstritten. Er wurde mit einem allgemeinen Verweis auf das Polizeiaufgabengesetz begründet, Zweck soll die Feststellung von Personendaten gewesen sein. "Da die Maßnahmen auf der Grundlage des Polizeigesetzes Baden-Württemberg und nicht zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen erfolgt sind, musste dazu weder die Staatsanwaltschaft noch ein Gericht eingebunden werden. Der Polizeivollzugsdienst war für die Anordnung und Durchführung der entsprechenden Maßnahmen originär zuständig", so der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen gegenüber RDL.

Der vorangegangene Protest gegen die Abschiebung eines jungen Togoers erwies sich nach einer intensiven politischen und medialen Hetze bei genauerem Hinsehen jedenfalls als harmlos. Wenn daraus der Anlass für eine frühmorgendliche Razzia konstruiert wurde, die widerum nicht nur Angst und Schrecken verbreitete, sondern zu - wiederum sehr schlecht begründeten - Strafverfahren führte, dann manifestiert sich damit eine gefährliche Tendenz der willkürlichen Kriminalisierung von Asylsuchenden. Sie sind in den Erstaufnahmelagern eingeschlossen und ihre Version der Geschichte findet jeweils kaum Gehör. Ellwangen ist kein Einzelfall: Ähnliches geschah beispielsweise Donauwörth und Deggendorf.

Kurz nach dem Urteil von Ellwangen haben wir mit zwei Prozessbeobachtern von Aktion Bleiberecht und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg gesprochen.

Prozessbericht von Aktion Bleiberecht: 3:49

Bewertung durch Séan McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg: 7:52

Gesamtes Interview: 11:53